EU-Verordnung zur politischen Werbung: Neue Regeln und Pflichten für Publisher sorgen für neue Unsicherheiten
Am 10. Oktober 2025 trat die EU-Verordnung zur Transparenz und zum Targeting politischer Werbung europaweit in Kraft. Die neuen Vorschriften betreffen alle Akteure der Wertschöpfungskette: Advertiser, Agenturen und Herausgeber. Für unsere Publisher-Partner haben wir die Verordnung 2024/900 etwas genauer unter die Lupe genommen – hier findet ihr unsere Auffassung.
EU-Verordnung zur politischen Werbung – worum geht’s?
Mit der Verordnung zur Transparenz und zum Targeting politischer Werbung (kurz TTPA), die bereits am 13. März 2024 verabschiedet wurde, will die EU politische Werbung transparenter machen und verhindern, dass sie manipulierend eingesetzt wird – besonders im Internet. Deshalb regelt sie erstmals europaweit, wie die sogenannten Political Ads gestaltet, gekennzeichnet und kontrolliert werden müssen.
Für euch Publisher heißt es jetzt: aktiv werden!
Was gilt als politische Werbung?
Die Verordnung führt erstmals eine EU-weit einheitliche Definition politischer Werbung ein. Laut Artikel 3 der Verordnung fällt darunter jede Botschaft,
- die durch oder für einen politischen Akteur oder in seinem Namen,
- in der Regel gegen Entgelt (auch Sachleistungen) erfolgt und
- geeignet sowie darauf ausgerichtet ist, Wahlen, Referenden oder Gesetzgebungsprozesse zu beeinflussen.
Dies umfasst nicht nur klassische Wahlwerbung, sondern auch thematische Kampagnen zu politischen Fragen.
Darunter fallen jedoch nicht:
- Redaktionelle journalistische Inhalte
- Private Meinungsäußerungen ohne Bezahlung
- Reine Information über Wahlmodalitäten (beispielsweise Wahltermine)
- Weitere Ausnahmen (Kampagnen rein privater oder kommerzieller Natur*)
Kurz zusammengefasst: Politische Werbung sind also bezahlte Inhalte, die sich auf Wahlen, Parteien, Politik, Gesetzgebung oder politische Themen beziehen.
Wer ist von der EU-Verordnung für politische Werbung betroffen?
Die in Kraft getretene EU-Verordnung betrifft diejenigen, die politische Anzeigen veröffentlichen oder verbreiten (möchten).
- Publisher und Plattformen (wie Medienhäuser, Online-Plattformen, Suchmaschinen, soziale Netzwerke)
- Werbetreibende und Agenturen, die politische Kampagnen erstellen oder ausspielen
- Sponsoren (beispielsweise Parteien, NGOs oder Einzelpersonen), die solche Werbung bezahlen und darum ebenfalls Teil des Transparenzmodells sind
Besonders umfassend sind die Transparenz- und Sorgfaltspflichten für die Herausgeber politischer Werbung gemäß Art. 3 Nr. 13 der Verordnung. Ihr solltet prüfen,
- welche Rolle auf euch zutrifft,
- ob ihr Prozesse zur Identifikation politischer Werbung habt und
- ob diese den Anforderungen der Verordnung entsprechen.
Welche Hauptpflichten gelten nun für Publisher?
Kennzeichnungspflicht
Jede politische Anzeige muss künftig klar als solche erkennbar und entsprechend gekennzeichnet sein – beispielsweise mit dem Hinweis „Politische Anzeige“.
Transparenzangaben
Die Verordnung fordert, dass unter anderem folgende Informationen bereitgestellt werden:
- Wer hat bezahlt (Sponsor, Organisation, Auftraggeber)?
- Wie viel wurde bezahlt oder geleistet?
- Welche Wahlen, Themen oder Kampagnen sind betroffen?
- Wurde Targeting eingesetzt – und wenn ja, auf welcher Grundlage?
Diese Daten müssen zudem leicht zugänglich, verständlich und digital abrufbar sein. Nach unserer Auffassung sind Publisher als Herausgeber politischer Werbung im Sinne der Verordnung einzustufen. Hier gelten erhöhte Anforderungen, die auch umfassen, dass diese Angaben aktualisiert werden müssen.
Transparenzdaten-Archiv
Hinzu kommt die Regelung, dass politische Anzeigen und ihre Transparenzinformationen mindestens sieben Jahre lang gespeichert bleiben müssen. Die EU richtet dafür ein zentrales Archiv für politische Online-Werbung ein. Für sehr große Online-Plattformen gelten dabei noch strengere Regeln. Sie müssen ein eigenes Anzeigenarchiv führen und dieses mit dem EU-Archiv verknüpfen.
Diese erweiterten Dokumentations- und Archivierungspflichten erfordern neue technische Lösungen und Prozesse, die rechtzeitig implementiert werden müssen.
Melde- und Prüfmechanismen
Last but not least: Die neue EU-Verordnung zur politischen Werbung verpflichtet alle Betroffenen, ein Verfahren anzubieten, über welches User irreführende oder regelwidrige Anzeigen melden können. Besonders im letzten Monat vor Wahlen gelten hier sehr kurze Reaktionsfristen von nur 48 Stunden. Ausnahmen für Kleinstunternehmen sind jedoch möglich.
Strengere Regeln für Targeting, Personalisierung und Datenschutz
Einschneidend sind vor allem die neuen Vorgaben für das Targeting politischer Werbung im Internet (Art. 19 der VO). Die Verordnung schränkt dieses stark ein, besonders im Zusammenhang mit sensiblen personenbezogenen Daten und zum Schutz Minderjähriger.
Die EU-Verordnung verbietet explizit
- das Profiling auf Basis sensibler Daten wie politischer Einstellung oder ethnischer Herkunft,
- die gezielte Ansprache Minderjähriger,
- die Nutzung sogenannter „Dark Patterns“ (manipulative Designtricks).
Die Verordnung erschwert zudem den Einsatz von Third-Party-Cookies für politisches Targeting und fordert Anbieter auf, alternative Ansätze zu prüfen. Genaue technische Vorgaben hängen von den Durchführungsrechtsakten und nationaler Umsetzung ab.
Kontrolle und Sanktionen bei möglichen Verstößen
Die nationalen Datenschutz- und Medienaufsichtsbehörden überwachen die Einhaltung der neuen Regelungen für politische Werbung. Verstöße können zu Bußgeldern von bis zu sechs Prozent des Jahresumsatzes führen. Auch ist mit Sperrungen oder Werbeverboten zu rechnen.
Um eine effektive Kontrolle zu gewährleisten, erhalten die Aufsichtsbehörden weitreichende Untersuchungs- und Durchsetzungsbefugnisse. Außerdem gibt es Pflichten, nach denen Herausgeber beispielsweise Berichte über die Budgets proaktiv an die Behörde melden müssen.
Die genauen Vorgaben für das Format einzelner Transparenzlabels wird die EU-Kommission noch in einem Durchführungsrechtsakt festlegen. Hilfreich ist es jedoch, schon jetzt zu prüfen, wie ihr solche Kennzeichnungen technisch in eure Werbemittel integrieren und eure AdServer sowie Werbeformate frühzeitig anpassen könnt. So vermeidet ihr aufwändige ‚Last-Minute‘-Änderungen.
Was ändert sich bei Google Ads hinsichtlich politischer Inhalte?
Im September 2025 hat auch Google seine Richtlinie „Politische Inhalte“ aktualisiert und auf seinen Plattformen strengere Regeln für politische Werbung, basierend auf der EU-Verordnung 2024/900, eingeführt. Hier haben wir die wichtigsten Spezifika für euch zusammengefasst:
Neue Einschränkungen
Anzeigen von, für oder im Namen eines politischen Akteurs (Parteien, Kandidaten, Kampagnenorganisationen etc.) sind nur erlaubt, wenn sie nicht rein privat oder rein kommerziell (also keinen politischen Einfluss beabsichtigen) sind. Auch Anzeigen, die darauf abzielen, Wählerinnen und Wähler zu beeinflussen oder den Ausgang von Wahlen, Abstimmungen oder Gesetzgebungsverfahren zu steuern, werden von Google restriktiver behandelt.
Es gibt jedoch ein paar wenige Ausnahmen:
- Offizielle Mitteilungen zu Wahlverfahren oder Kandidaturen (wie Bekanntgabe von Wahldaten) sind zulässig.
- Aufrufe zur Wahlteilnahme oder Veröffentlichungen offizieller Behörden sind erlaubt, solange sie nicht manipulierend sind.
Übrigens: Wer meint, seine Anzeige erfülle die Anforderungen, kann Ausnahmen beantragen oder gegen Google-Entscheidungen Einspruch einlegen.
Selbstdeklaration
Darüber hinaus verpflichtet Google alle am Werbeprozess teilnehmenden Akteure, ab Mitte August 2025 selbst zu deklarieren, ob die bzw. der Betroffene politische Werbung schalten will. Sobald dies bestätigt ist, gelten automatisch alle Einschränkungen. Die Selbstdeklaration ist jedoch nur notwendig, wenn ihr Publisher selbst über eines der Google-Advertising-Produkte wie Google Search Ads (Suchmaschinenwerbung) oder YouTube Ads (Videoanzeigen) Werbung einbuchen möchtet: Euer eigenes Direct Business ist davon nicht betroffen.
Transparenzbericht & Ads Transparency Center
Der bisherige Transparenzbericht für politische Werbung entfällt, aber politische Anzeigen bleiben im Ads Transparency Center sichtbar.
Kontosperrung bei Verstößen
Vor einer Kontosperrung wegen Verstößen erhält der Betreiber mindestens sieben Tage Vorwarnung.
Was können Publisher jetzt konkret tun?
Wir haben für euch eine Übersicht erstellt, was ihr jetzt tun könnt:
-
- Rechtliche Anforderungen recherchieren und für euch geltende Pflichten herausziehen
- Überprüfen, welche Anzeigen genau nun als politisch gelten
- Ggf. Google-Konten vorbereiten, um Selbstdeklaration durchzuführen (falls zutreffend)
- Technische Implementierung für die erforderliche Kennzeichnung „Politische Anzeige“ durchführen
- Sponsor- und Finanzinformationen sauber dokumentieren
- Einwilligungsverfahren für Targeting erstellen
- Offenlegungsmechanismen für Ausspielungslogik planen
- Audit- und Risikobewertung etablieren
- Archivsystem für relevante Daten für sieben Jahre bereitstellen
- Beschwerdemechanismen etablieren
- Monitoring & Update bei Google-Richtlinien aktiv verfolgen
Auswirkungen auf Werbeerlöse und Monetarisierungsstrategien
Die EU-Verordnung zur politischen Werbung stellt die digitale Werbebranche vor erhebliche Herausforderungen. Die neuen Regeln werden sich zweifelsohne auf eure Werbeerlöse im Bereich politischer Werbung auswirken. Denn strengere Targeting-Regeln könnten politische Kampagnen für Werbetreibende weniger effizient und attraktiv machen. Außerdem werden die betroffenen Prozesse administrativ aufwändiger, was einige Akteure abschrecken könnte.
Viele Player im Programmatic Advertising (wie diverse SSPs) schließen politische Werbung aufgrund der nun geltenden hohen Anforderungen aus. Denn neben technischen Anpassungen sind auch organisatorische (bei Prozessen) und rechtliche (bei Verträgen) Änderungen notwendig, um die Anforderungen durch die gesamte Vertragskette – vom Publisher bis hin zum Advertiser – einhalten zu können.
Andererseits bietet die nun wirksame EU-Verordnung zur Transparenz und zum Targeting politischer Werbung auch Chancen. So könnten die erhöhten Transparenzanforderungen das Vertrauen eurer Leserschaft in politische Online-Werbung stärken und dadurch langfristig zu einer nachhaltigen Wertsteigerung beitragen.
Unser Fazit zu TTPA – und zu Handlungsoptionen von Publishern
Publisher, die Direkt-Kampagnen selbst einbuchen möchten, können dies beispielsweise über eine CMS-Einbindung tun. Wir kommen zu dem Schluss, dass der Publisher dann alle Herausgeber-Pflichten sicherstellen muss, wie:
- Kennzeichnung
- Bereitstellung der Transparenzhinweise
- Repository-Anbindung
- Meldeprozesse
- Aufbewahrungspflichten
- Offenlegung im Lagebericht
- Angaben zum Sponsor
- Angaben zu Finanzierungsquellen
- Zielgruppenparameter
- Laufzeit
Gegebenenfalls sind noch weitere Vorgaben für Targeting fällig:
- gesonderte Einwilligung der User erforderlich
- Ausschluss besonderer Kategorien personenbezogener Daten
- Ausschluss Daten Minderjähriger
- Nutzung nur selbst erhobener Daten
- Ggf. spezielle Aufbewahrungspflichten
- Risikoanalyse
Traffective bleibt in diesem Fall ein rein technischer Nebendienstleister: Wir verantworten damit die Einhaltung der Anforderungen nach der Verordnung nicht, da wir keinen Einfluss auf den Inhalt, die Platzierung und die Ausspielung der Ads haben.
Publisher tragen bei politischen Kampagnen, die im Direktgeschäft eingebucht werden, nun eine erhöhte Verantwortung dafür. Aus unserer Sicht ist es wichtig, dass euch dies bewusst ist und ihr die Anforderungen, die die Verordnung stellt, gut kennt, eure vertraglichen Regelungen entsprechend im Blick habt und anpasst – beispielsweise bezüglich der Verteilung der Verantwortung für die Einhaltung der EU-VO 2024/900.
– Veronika Streule, Unternehmensjuristin von Traffective –
Ihr wollt mehr über eine Partnerschaft mit Traffective – oder über unsere ganzheitliche Monetarisierungsplattform für Publisher erfahren?
*Anmerkung der Redaktion: Fundstelle zum Nachlesen (Erwr. 22 und Art. 3 Nr. 2 lit. a VO 2024/900)
Titelbild: generiert mit ChatGPT




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